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„Aufsuchende Berufsberatung” an der MOS

Ein Austausch mit Frau Säuberlich vom Arbeitsamt Nürnberg

Frau Glück:
Frau Säuberlich, Sie sind nun seit dem Schuljahr 2021/2022 bei uns an der MOS in der aufsuchenden Berufsberatung tätig. Für uns ist die aufsuchende Beraufsberatung der Arbeitsagentur neu. Seit wann gibt es diese bereits und weshalb ist die aufsuchende Berufsberatung an der Schule selbst so wichtig?

Frau Säuberlich:
Die Frauenbewegung im Kaiserreich setzte sich für die Chancengleichheit bei der Berufsausbildung und Berufstätigkeit von Frauen ein und schuf 1902 eine “Auskunftsstelle für Frauen.” Der Gedanke Menschen bei der Berufswahl zu unterstützen gibt es daher schon lange. Die Berufsberatung in der heutigen Form gibt es bei der Bundesagentur für Arbeit seit 2000. Die Berufsberatern*innen beraten in allen Schulen Schüler*innen zu allen Fragen der Ausbildung, Studium und qualifizierten Tätigkeiten. Ich bin jetzt u.a. für die MOS FOS zuständig. Die Beratung hat in den letzten Jahren weiter an Bedeutung gewonnen, weil die Zahl der angebotenen Ausbildungsberufe und Studiengänge gestiegen sind und die Anforderungen der Berufe sich fortlaufend den Veränderungen der Arbeitswelt anpassen müssen. Die Akzeptanz und das Bewusstsein der Schüler*innen für die Wichtigkeit der Beratung hat sich verändert.

Frau Glück:
Inwiefern?

Frau Säuberlich:
Während Corona konnte keine Beratung an den Schulen stattfinden. Viele Schüler kannten daher das Angebot der Berufsberatung nicht. Sie haben sich vielleicht über Google oder andere Quellen mit dem Thema “was kommt nach der Schule” beschäftigt. Das Thema hatte keine vorrangige Bedeutung für die meisten Schüler*innen. Jetzt werden Veranstaltungen und Sprechstunden wieder an den Schulen angeboten. Die Schüler*innnen können, müssen aber nicht, zur Beratung in die Agentur für Arbeit kommen. Die persönliche Beratung kann an der Schule, einem für die Schüler*innen bekannten und vertrauten Ort stattfinden und durch die Kontinuität des Beratungsangebots wächst auch das Vertrauen zu den Schüler*innen. Ich hoffe so die Akzeptanz für die Beratung zu fördern. In den Medien gibt es viele Informationen zur Berufswelt, aber welche sind richtig und helfen weiter?   Hier hilft es, wenn Schüler*innen wissen, dass die Informationen zu den Berufen von der Bundesagentur wissenschaftlich erhoben sind und die Beratung neutral ist. Der Berufswahlprozess ist ein schwieriger und bedeutender Prozess, der nicht nur längere Zeit in Anspruch nimmt, in der die Schüler und Schülerinnen sich mit der eigenen Person, den Stärken, Begabungen und Interessen beschäftigen sollten. Geschieht das nicht, kann es zu einer Berufswahl kommen, die nicht passt. Ein Ausbildungs-, oder Studienabbruch kann die Folge sein und ist für die Person meistens sehr unangenehm. Um das zu vermeiden, ist es wichtig, sich beraten zu lassen. In der Beratung können die wichtigsten Informationen für den zu Beratenden eingeholt, gefiltert werden. Nach der Orientierung helfen wir auch bei der Entscheidung und deren Umsetzung.

Frau Glück:
Wie sehen Sie die Beratungssituationen bei uns an der MOS?

Frau Säuberlich:
Was mir auffällt, ist, dass die Schüler*innen am Anfang eine gewisse Verpflichtung zur Beratung zukommen, brauchen. Das führt dazu, dass zum Einen eine Ernsthaftigkeit in den Berufswahlprozess kommt. “Es geht um eure Zukunft, liebe Schüler*innen!” Und zum Anderem geht es darum eine Art Initialzündung zu geben. Einige Schüler*innen haben sich noch nicht richtig mit dem Thema Berufswahl beschäftigt. Es ist sehr hilfreich, dass Frau Schleicher die verbindliche Sprechstunde an der Schule organisiert. Die Schüler sind sehr zuverlässig bei der Einhaltung der Sprechstundentermine. Manche Schüler*innen gehen auch den 2. Schritt.

Frau Glück:
Was bedeutet, den zweiten Schritt gehen?

Frau Säuberlich:
Der zweite Schritt bedeutet, entweder kommen sie ein 2. Mal in die Beratung . Dies erfolgt dann auch oft in der Agentur für Arbeit. Oder sie geben mir ihre Email Adresse um weitere Informationen zu ihren Fragen zugeschickt zu bekommen. Ein Schüler will einen seltenen Ausbildungsberuf erlernen. Das ist sensationell. Schüler*innen an den FOSen oder Gymnasien fragen selten nach Ausbildung.

Frau Glück:
Ja, das ist der Grund, warum wir nächste Woche die IHK Scouts bei uns im Haus haben. Wir machen das seit sechs Jahren, um einfach den Schüler*innen zu zeigen, dass Ausbildung auch eine Form ist, genauso die Ziele an Abschlüssen zu erreichen, wie in einem Studium.

Frau Säuberlich:
Beratung ist notwendig und ich bin sehr dankbar, dass die Organisation an der MOS so gut läuft. Ich bin überzeugt, wenn das nicht der Fall wäre, würden sich die Schüler*innen schwerer tun von sich aus einen 1. Beratungstermin in der Agentur zu vereinbaren.

Frau Glück:
Ja, das ist das, was ich erlebe. Obwohl ich bei den Schüler*innen in die Klassen immer wieder reinschaue und sage, wenn ihr Fragen habt, wenn ihr eine Berufsberatung braucht, ich bin da, macht einen Termin aus, dass eher selten jemand kommt. Ich habe dann eher die Schüler*innen da sitzen, die selber schon rührig sind, gucken und selbstständig schauen, in welche Richtung soll es denn gehen. Und dann haben sie drei, vier Berufe ausgewählt, ob Ausbildung, Studium relativ bunt, aber nicht wissen, wo sind sie besser aufgehoben. Also die Entscheidungsfindung, die Sie vorhin auch angesprochen haben, dass einfach mit dem Wust an dem, was alles da ist, an Möglichkeiten, sie einfach überfordert sind und wir dann eigentlich eher durchgehen, was sind Stärken und Schwächen, wo braucht es vielleicht auch, ja, eine kleine Grenzüberschreitung, sich mal was zuzutrauen, weil die Fähigkeiten eigentlich da wären. Das sind dann eher die Themen, die bei mir andocken. Da ist die Berufsberatung eher nebensächlich. Es wird bei mir dann eher persönlich und ich glaube, deswegen ist es auch einfach schön, dass wir noch das Angebot mit Ihnen haben, dass das Persönliche zwar mit reinspielt, aber die Berufsberatung im Vordergrund steht.

Frau Säuberlich:
Ich denke, es geht in der Berufsberatung ganz viel um die Vermittlung des Mehrwerts der Beratung.

Frau Glück:
Teilweise ist mein Eindruck, dass da einfach schon auch vom Elternhaus Beratung als etwas Anrüchiges gesehen wird. Man kann ja googlen, die Eltern und Verwandten fragen und um Unterstützung bitten.

Frau Säuberlich:
Was mich allerdings erstaunt ist, dass oft Beratung mit Schwäche in Verbindung gebracht wird.

Frau Glück:
Ich glaube, dass das echt in vielen Lebensfragen abgespeichert ist. Beratung ist Schwäche. Das muss ich alles selber schaffen.

Frau Säuberlich:
Vielleicht muss man die Eltern mehr mitnehmen. Den Eltern in einem Elternabend die Angebote der Berufsberatung aufzeigen. Die Eltern kennen die Angebote der Berufsberatung vielleicht nicht.

Frau Glück:
Ist auf jeden Fall ein guter Impuls, einfach noch mal ein bisschen anders einzusteigen. Beim Elternabend oder in einem Elternbrief, dass die Berufsberatung als besonderes Angebot bei uns direkt an der Schule stattfindet.

Frau Säuberlich:
Ja, hier an der Schule auf jeden Fall. Das Wort der Schulleitung, das hat ja Gewicht bei den Eltern. Und wenn das dann wie so eine Empfehlung ausgegeben wird, dann folgt man dem auch.

Frau Glück:
Ich halte es auf jeden Fall für wirklich ein gutes und auch besonderes Angebot der Agentur. Ich kenne es aus meiner Schulzeit nicht. Ich kenne es eigentlich hauptsächlich als Studienberatung vom Arbeitsamt und nicht, dass in der Schule Termine abgehalten werden. Das ist für mich neu. Ein gutes Format, einfach deshalb, weil es niederschwellig ist.

Vielen Dank Frau Säuberlich für den Einblick in Ihr Wirken mit der aufsuchenden Berufsberatung an Schulen. Die MOS freut sich, dass Sie bei uns sind.

Frau Säuberlich:
Dankeschön.

Interview vom 23.06.2022 – Audiotranskription